Zertifikatsmodelle oder Massenbilanz-Verfahren?

Welchem Ansatz zur Steuerung des Rezyklat-Einsatzes ist der Vorzug zu geben?

Die Bundestagswahl 2021 liegt hinter uns, eine neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist gebildet. Laut der umweltpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Frau Judith Skudelny, haben wir nun ein Zeitfenster von ca zwei Jahren vor uns, in dem grundlegende Weichenstellungen für mehr Kreislaufwirtschaft vorgenommen werden können. Wenn wir also wirklich mehr recyclingfähige Verpackungen einsetzen wollen, dann muss es zeitnah losgehen!

Die Einsatzmenge von Rezyklaten soll signifikant erhöht werden, darüber sind wir wohl Alle einig – nachdem zuvor sämtliche ökologisch/ökonomisch sinnvollen Möglichkeiten zur Vermeidung obsoleten Plastiks bzw Wiedereinsatz/Mehrfachverwendung von Kunststoffprodukten geprüft wurden. - Nur, wie und wo? Darüber bestehen unterschiedliche Meinungen.

Naheliegende Lösung ist, dass alle Kunststoffprodukte – nein, die Diskussion, weshalb wir stets und immer wieder ausschließlich über „Plastik“ und nicht alle Materialien streiten, fangen wir an dieser Stelle nicht an -, künftig Rezyklat-Bestandteile enthalten sollen. Meine Überzeugung jedoch nach ungezählten Diskussionen mit Maschinenbauern, Juristen, Naturwissenschaftlern: Das wird nicht funktionieren! Gewichtige Gründe sprechen auf absehbare Zeit gegen einen flächendeckenden Einsatz von Rezyklaten in allen Produkten inclusive Verpackungen.

Trotzdem dürfen wir kein am Prozess beteiligtes Unternehmen aus seiner Verantwortung entlassen. Das fordert meines Erachtens auch das 17. Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen („Partnerschaften“). Ich interpretiere das so: Wer aus nachvollziehbaren Gründen in seinem Unternehmen, seinen Produkten, seinem Beitrag zur Wertschöpfung keine Rezyklate einsetzen kann, muss im Rahmen der Partnerschafts-Verpflichtung alles tun, um andernorts trotzdem den Einsatz von Rezyklaten zu ermöglichen (Design for Recycling).

Unterschiedliche Auffassungen, wie „Rezyklateinsatz“ zu definieren ist, entstehen schon in der Frage, ob damit der körperliche Einsatz von Molekülen wirklich in JEDEM Produkt gemeint ist, oder ob bereits eine Bilanzierung, z.B. der eingesetzten Rohstoffmengen, ausreicht.

Meine Überzeugung: Recycling als ein Teil der Kreislaufwirtschaft soll uns zur Klimaneutralität führen. Alles, was diesem Ziel dient und keine größeren Kollateralschäden verursacht, ist damit zunächst legitimiert.

Doch auch unter denjenigen Experten mit gleicher Grund-Überzeugung wie ich werden weitere Differenzierungen deutlich: Welches Tool zur Bilanzierung partnerschaftlicher Anreizsysteme ist das Bessere, Zertifikats-/Gutschriftsmodelle oder Massebilanz, wie sie im Zusammenhang mit Pyrolyse aufgestellt wird?

Ich selbst tendiere zum Zertifikatsmodell allerdings unter einer Bedingung: Wer eine solche Bestätigung vorweisen möchte, muss vorher alles getan haben, um den Zertifikatsgeber in die Lage zu versetzen, ein solches überhaupt herausgeben zu können. Mit anderen Worten: Das Verpackungsmaterial, dem ich Rezyklatanteile zurechnen möchte, muss so beschaffen sein, dass es, hochwertig recycelt und sortenrein dem Abfallstrom entnommen, 1:1 in das zertifikatsgebende Zweitprodukt Eingang finden kann. Wenn dieser Ablauf gewährleistet wird, spricht dieser Anrechnung nichts entgegen, und dann sollten werkstofflich recycelte Granulate jeder anderen Variante in Bezug auf Ökologie und Ökonomie überlegen sein.

Wie diese spannende Frage in internationalen Fachkreisen diskutiert wird, entnehmen Sie bitte dem nachfolgenden Link.

https://www.luxresearchinc.com/blog/why-recycling-credits-are-a-better-solution-than-mass-balance-approaches

 

Über den Autor

"WIR HANDELN NACHHALTIG AUS ÜBERZEUGUNG!"

Maag-Geschäftsführer Ansgar Schonlau ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und hat langjährige Erfahrung in der Druck- und Verpackungsindustrie mit dem Schwerpunkt auf Flexible Verpackungen.  Er ist engagierter Verfechter der Supply-Chain-Optimierung zur Vermeidung aller Arten von Verschwendung, hat in seinem Unternehmen schon früh Lean Management eingeführt und setzt sich für die Kreislaufwirtschaft von Folienverpackungen ein.